Bi däm rote Boum göh mer i Chindergarte!
Die bestehende Rotbuche – der zentrale Baum der Schulanlage – bleibt stehen und markiert mit seinem roten Laub von weitem sichtbar den Eingang zu den neuen Kindergärten. Das neue, zweigeschossige Gebäude wird auf den Pausenplatz unterhalb der Rotbuche gesetzt. Es ist in der Höhe so in das Terrain eingefügt, dass man beide Geschosse stufenlos erreicht.
Als Fortführung der Pausenlaube markiert eine Betonscheibe den oberen Zugang zu den neuen Kindergärten. Diese Scheibe ist, auch in Innenraum- klimatischer Hinsicht, das Rückgrat des neuen Kindergartenpavillons. Analog zur Anbindung der Turnhalle schiebt sich ein übergrosses Vordach über dasjenige der Pausenlaube und bietet über eine Rampe einen mit runden Stützen gedeckten Zugang zum oberen Geschoss.
Grosszügige Eingangsbereiche führen auf beiden Gebäudeseiten zu separaten Eingängen pro Kindergartenklasse. Dank der flexiblen inneren Organisation mit einer frei bespielbaren Mitte können sich die beiden Kindergärten auf demselben Geschoss wahlweise auch einen Eingang teilen. Dieser zentrale Raum kann als Foyer, als Erweiterung des einen oder als Verbindung beider Gruppenräume zu einem gemeinsamen, grossen Atelierraum genutzt werden.
Punkt und Linie
Hermann Frey schuf in Olten eine konzeptionell und gestalterisch herausragende Pavillonschule der 1950er-Jahre. Die weitläufige, in die Hanglage eingebettete Schulanlage Bannfeld besticht durch ein raffiniertes Erschliessungssystem und einen beeindruckenden Baumbestand. Alle Schulgebäude sind durch einen gedeckten Gang – die Pausenlaube –
Rotbuche
Auch im übergeordneten Massstab findet sich dieses Konzept wieder, nämlich im Zusammenspiel der riesigen, identitätsstiftenden Rotbuche (Punkt) und der Pausenlaube (Linie). Die Rotbuche zeichnet sich neben der strategischen Lage am südwestlichen Zugang und ihrer beeindruckenden Grösse auch durch die rote Blattfarbe als bedeutender Ankunftsort aus. Alle anderen Bäume tragen grüne Blätter. Zudem wird sie auf dem ganzen Weg entlang der Pausenlaube wahrgenommen. Die Wahl und Platzierung der Rotbuche war und ist ein elementarer Bestandteil für die konzeptionelle und gestalterische Grundidee der Schulanlage Bannfeld.
Städtebau
Der neue Kindergarten – im Grundriss zwei ineinander geschobene, leicht zueinander verdrehte Quadrate – reagiert einerseits auf die Orthogonalität der bestehenden Schulanlage, andererseits knüpft er an die Ausrichtung der westlich angrenzenden Bebauungsstruktur und den bestehenden Zugangsweg an. Die Staffelung innerhalb des neuen Volumens schafft für den Hauptzugang einen grosszügigen, durchgrünten Aussenraum. Die Adressierung auf der dem Hauptgebäude zugewandten Nordseite ist zwischen identitätsstiftender Rotbuche und dem Versatz des neuen Kindergartengebäudes klar ersichtlich und wird flankiert von einer breiten Treppe mit vielen Sitzstufen. Die Betonscheibe mit grosszügigem Vordach markiert den Eingang auch für Ankommende aus östlicher Richtung.
Freiraum
Das Projekt sieht vor, das neue Gebäude harmonisch in den Bestand einzufügen. Der Rotbuche kommt als identitätsstiftendes Element eine zentrale Rolle zu. Dagegen wird die Kanzel und der Brunnen zugunsten eines grosszügigen Bereichs vor dem Gebäudeeingang und einer einladenden Treppe entfernt.
Oberstes Ziel im Aussenbereich ist, möglichst alle vorhandenen Elemente bestehen zu lassen und sie mit wenigen Eingriffen als Spielort zu etablieren. In der geschützten Hecke kann man sich verstecken, man rollt die Wiese vor dem Singsaal hinunter oder rutscht im Winter über den Schnee. Auf der Zwischenebene südöstlich des Gebäudes wird eine Sand-Wasser-Spielanlage in die vorhandene Mergelfläche eingefügt, über Stämme und Steinblöcke lässt sich balancieren und in der kleinen Arena gibt es Unterricht unter freiem Himmel. Den mit Dachwasser gespeisten Brunnen bringen die Kinder mit einem Druckknopf zum Laufen. Unter den grossen Bäumen südöstlich des Singsaals laden Hängematten zum Beobachten oder Verweilen ein.
Die Asphaltfläche zum Velo und Trotti fahren oder mit Kreide malen bleibt in ihrem Ausmass bestehen. Hüpfspiele animieren zum Bewegen und die Nestschaukel kann man gemeinsam nutzen. An ihrem Rand zur Strasse hin ist der Aussengeräteraum platziert.
Die Treppe im südlichen Arealbereich mit direktem Anschluss an die Strasse wird entfernt. Der Weg daneben führt weiterhin zum Untergeschoss des Singsaals und zur gedeckten Pausenlaube. Zwei neue Wege erschliessen den Mergelplatz auf der Zwischenebene und den Pausenplatz und gewährleisten so eine stufenlose Verbindung zwischen den unterschiedlichen Platzniveaus.
Das Gebäude wird mit seiner westlichen Ecke rund 50 cm in den bestehenden Platz eingetieft. Die Rotbuche wird gemäss Baumexperte damit zurechtkommen, da nur ein kleiner Teil des Wurzelbereichs beeinträchtigt wird und dieser heute schon im Koffer der bestehenden Asphaltfläche liegt, wo ein deutlich geringeres Wurzelwachstum zu erwarten ist. Die Baugrube wird im Wurzelbereich senkrecht ausgehoben und die angeschnittenen Wurzeln mit einem Wurzelvorhang geschützt. An Stellen mit allfällig tieferliegenden Starkwurzeln werden Fundamentaussparungen vorgenommen.
Nutzung, Flexibilität & Erschliessung
Die beiden fast identischen Grundrisse sind von Offenheit und vielfältigen Blickbezügen geprägt. In ihrer Mitte liegt ein kleiner Raum – fast kunstvoll im elementaren Sinn; ein Kunstwerk zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht einem bestimmten Zweck dient, jedoch vielfältig und frei interpretiert werden kann. Diese offene Mitte kann geschlossen als kleines Foyer oder offen als Eingangshalle dienen, einem der beiden angrenzenden Gruppenräume zugeschlagen werden oder die Gruppenräume beider Kindergärten zu einem gemeinsam nutzbaren, grosszügigen Atelierraum verbinden.
Alle vier Kindergartenklassen verfügen über einen individuellen, hindernisfreien Hauseingang, was die Identifikation mit der eigenen Klasse stärkt. Dank der flexiblen inneren Organisation mit der frei bespielbaren Mitte können sich die beiden Kindergärten auf demselben Geschoss den Eingang aber auch teilen. Das heisst zudem, dass die Kinder in jedem Geschoss Zugang sowohl zur Nord- wie auch zur Südseite haben. Von der Erschliessungsschicht aus, die wie eine Laube gestaltet ist, werden alle Nebenräume und auch die Garderobe mit direktem Zugang zum Hauptraum erschlossen. Dieser wirkt in seiner rechteckigen Grundform sehr ruhig. Er weist gegen Süden – zum Wald hin – eine grosse Verglasung und an der Längsseite einen weiteren Aussenraum-Sichtbezug auf. Im Norden wird mit einem hochliegenden Fensterband, wie es bei der bestehenden Schulanlage typisch ist, zusätzlich belichtet. So verbleibt viel geschlossene Wandfläche für Bilder und Schränke. Der Gruppen- und der Materialraum ist direkt vom Hauptraum sowie vom Korridor aus zugänglich. Die geschlossene Brüstung der Glastrennwand zwischen Haupt- und Gruppenraum unterstützt das ablenkungsfreie Spielen und Arbeiten im Sitzen. Mit einem Vorhang kann der Sichtbezug nach Bedarf reguliert werden.
Das Gebäude
Die im Süden belassene Begrünung – in der Wahrnehmung fast ein Waldstück – sorgt für eine ausreichende, natürliche Beschattung und Kühlung der Innenräume. Vor allem im westlichen Flügel wird es auch im Sommer nur wenig direkte Sonneneinstrahlung geben. Im östlichen Teil sorgt eine schmale Laube für die Beschattung in der warmen Jahreszeit, ohne den Sichtbezug zum Grünraum zu beeinträchtigen.
Aus diesen mikroklimatischen Bedingungen heraus wird ein Innenraum- klimakonzept mit wenig Haustechnik entwickelt. Es setzt auf eine Kombination aus natürlichen und modernen Technologien, um ein gesundes Raumklima zu schaffen, ohne die Umwelt zu belasten. Ein entscheidendes Merkmal des Konzepts ist das innovative Lüftungssystem, das ohne grosse technische Anlagen auskommt. Auf eine aktive Lüftung oder Kühlung des Gebäudes wird verzichtet. Dennoch müssen die Unterrichtenden nicht stündlich die Fenster öffnen: Durch Kohlendioxid- und Temperatursensoren gesteuerte Klappen wird der Luftaustausch kontrolliert, wie es für ein optimales Raumklima sinnvoll ist. Durch den natürlichen Kamineffekt über die Wandscheibe auf der Nordseite wird die Luft abgesogen. Als Nachströmung dienen Zuluftöffnungen im Bereich der im Sommer gut beschatteten Südseite. Die Kaminlüftung ist ein physikalisches Konzept, das schon vor tausenden von Jahren genutzt wurde – eine natürliche Lüftung also, die das manuelle Lüften unterstützt statt verbietet, und die dank der einfachen Querlüftung auch für die Nacht- auskühlung optimal funktioniert. Auf eine grosse Lüftungsanlage kann damit verzichtet werden. Einzig für die innen liegenden Sanitär- und Lagerräume wird eine kleine, in sich funktionierende Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung installiert.
Beheizt wird das Gebäude mit einer ressourcenschonenden Erdwärmesonde, die ebenfalls sehr tiefe Betriebskosten erwarten lässt. Die Dachfläche des östlichen Gebäudeflügels wird vollständig mit Photovoltaikmodulen ausgestattet. Die westliche Seite eignet sich aufgrund der Beschattung durch die hohen Bäume nicht und wird extensiv begrünt. Sie bietet verschiedenen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum.
Tragstruktur
Über einer betonierten Bodenplatte mit Frostriegel und dem Terrain folgenden Sockel wird ein effizienter Holzelementbau errichtet. Die Fassaden werden als Scheiben ausgebildet. Innen ergänzen Holzstützen den vertikalen Lastabtrag. Die nur über kurze Distanzen gespannten Decken der Erschliessungs- und Nebenraumschicht werden mit einer schlanken Brettstapeldecke ausgebildet. Die Haupträume mit Spannweiten von knapp 7 Metern werden von Rippendecken mit sichtbaren, schlanken Holzbalken überspannt. Sie erzeugen ein luftiges Raumgefühl und eine massstäbliche Gliederung der Decke und nehmen in ihren Zwischenräumen Elemente wie Beleuchtung und Zuluft-Klappen auf, die sich dadurch optisch zurücknehmen.
Materialisierung, Konstruktion & Wirtschaftlichkeit
Die Konzeption des neuen Kindergartens verpflichtet sich dem
umweltschonenden Bauen. Bei der Erstellung wird durch den minimierten
Einsatz von Beton der CO2-Ausstoss reduziert. Neben der Bodenplatte, dem
hangseitigen Technikraum und der städtebaulich wie Innenraum-klimatisch
bedeutsamen Wandscheibe aus Sichtbeton werden in erster Linie Holz und
Lehm eingesetzt. Das Tragwerk aus Holz wird in der Nebenraumschicht mit
Lehmbausteinen ausgefacht. Zusammen mit bewährten Stampflehm-
Unterlagsböden und robusten Lehm-Kasein-Spachtelungen gleicht das
natürliche Material Lehm die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit der
Schulräume optimal aus.
Der Verzicht auf ein Untergeschoss und die minimierten Terrainbewegungen
sparen Kosten bei den Aushubarbeiten. Der Erhalt des Parks mit seinem
beeindruckenden Baumbestand schont nicht nur das Budget, sondern ist
zugleich ein Herzstück der vielfältig bespielbaren Aussenanlage. Die gemäss
Raumprogramm dimensionierten Raumflächen und die auf das minimal
geforderte Mass von 2.80m minimierte Raumhöhe reduzieren kostenwirksam
das Gebäudevolumen. Dank der sichtbaren, schlanken Holzbalkendecken in
den grossen Haupträumen wirken diese dennoch grosszügig.
Das Low-Tech-Konzept mit natürlicher Belüftung, guter Beschattung im
Sommer und viel Sonneneinstrahlung im Winter mit der hohen Speichermasse,
der ressourcenschonenden Erdwärmesonde in Kombination mit der gut
gedämmten Gebäudehülle reduziert nicht nur die Umweltauswirkungen,
sondern auch langfristig die Betriebskosten.
Die Fassade wird mit einer natürlich vorvergrauten Holzschalung aus
dauerhafter Douglasie verkleidet. Sie nimmt sich farblich zurück und lässt das
formale Spiel, das wie beim Bestand mit südseitig grossen Fenstern und
hangseitig hoch liegenden Bandfenstern arbeitet, zur Geltung kommen. Der
Sockel und die Brüstungen aus Beton und die zur dauerhaften Beständigkeit
der filigranen Holzelemente notwendigen Abdeckbleche aus Kupfer werden
unbehandelt belassen. Bunte Akzente im farblichen Einklang mit der
Umgebung setzen einzig die Stoffmarkisen, die das bunte Treiben von innen
nach aussen tragen.
FÄGNÄSCHT
Offener Projekt Wettbewerb
4-Fach KiGa Bannfeld, Olten
3. Runde erreicht
knapp daneben ist auch vorbei
Beteiligte
ARGE:
Roger Baumer SQWER AG
Bruno Stettler Architektur GmbH
Landschaftsarchitektur:
Pascale Akkermann, Xeros, Bern
Holzbauingenieur/Brandschutz:
Daniel Indermühle, Ingenieur, Thun
Haustechnik:
Simon Wyss, Welatec AG, Interlaken